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Frühling

Frühlingskonzerte

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…Frühlingskonzerte im Bürgerhaus

2006 hatte ich damit begonnen und gut 10 Jahre beibehalten, jeden Frühling im Bürgerhaus ein Solokonzert zu geben. Bewusst gewählt hatte ich diesen Zeitpunkt, um den Moment des inneren Neuanfangs, der im Wechsel der Jahreszeiten sichtbar wird, musikalisch nachzuzeichnen.

…Kreislauf der Natur

Jeder Mensch ist Teil der Natur und hat ebenso wie diese immer wieder die Chance, aus der (seelischen) Erstarrung zu neuem Leben zu erwachen. Doch verläuft dies beim Menschen – im Gegensatz zur Natur – nicht in regelmäßigen zyklischen Prozessen „wie von selbst“, sondern braucht bewusste Entscheidungen, „sich vom Eis zu befreien“ und ja zu sagen zum inneren Wachstum.

…als seelische Vision

Meine Musik war für mich immer das wichtigste Vehikel, Ja sagen zu können zum Leben, mit den eigenen Gefühlen ins Gleichgewicht zu kommen, mich in mir selbst zu verankern und von dieser Warte aus mich der Welt zur Verfügung zu stellen. Wenn der Wert des Bemühens um seelische Gesundheit allgemein anerkannt sein wird, kann dies vielleicht der Normalzustand aller Menschen sein und sorgfältig gepflegt werden von Jahr zu Jahr wie die Pflanzen in freier Natur.

…Nerv der Zeit

Ich bin froh, dass in den letzten Jahren viel geforscht wurde über die Folgen von Traumatisierungen und über die sich dadurch verspätende, aber dennoch heilsame Kontaktaufnahme zum eigenen Selbst. So komme ich mir nicht mehr so verloren und allein vor mit meinem künstlerischen Ansatz, sondern sehe mich darin bestätigt, dass es von gesellschaftlicher Relevanz ist und den Nerv der Zeit trifft. Dass ich verstanden werde in dem, was ich tue, weiß ich aus den dankbaren Rückmeldungen am Ende meiner Veranstaltungen, dass ich andere erreiche, gerade weil ich mich nicht in den Vordergrund schreie und obwohl die Kunst der leisen Töne medial wenig Aufmerksamkeit erhält.

…das Wesentliche wiederfinden

Das was mich von innen her ausmacht, nenne ich meinen inneren Kern. Diesen inneren Kern stelle ich mir wie einen Vulkansee vor. Hier ist alles so wie es sein soll und bleiben darf, still und ruhig. Entsteht darüber eine emotionale Unruhe, kann ich sie besänftigen, indem ich mich auf die Tiefe konzentriere.

…die richtige Dosis

Da ich mich ja zu Beginn nicht einengen wollte durch Formen, die andere für sich entdeckt hatten oder die stilistisch üblich waren, lotete ich in der ersten Zeit Grenzen aus, auch die bis wohin emotionale Intensität noch als wohltuend empfunden wird und wann sie den Zuhörer überfordert. Ich ging von der klassischen Maxime aus, es nicht zu übertreiben. Aber es reizte mich, in maßvoller Dosierung, die eine oder andere Grenze zu übertreten und hinter mir zu lassen. Denn dies hielt ich angemessen für eine symbolische Darstellung der Zeit, in der wir JETZT leben.

…Funktionsmusik

Wohin man auch schaut: es gibt so viele Arten von Musik und selten steht sie einfach nur für sich selbst: Funktionsmusik („Fu-Mu“) ist glatt geschliffene Gebrauchsmusik für Supermärkte und Fahrstühle. Sie plätschert so dahin. Im Sektor der klassischen Musik verbreitet ist der museale Blick auf Traditionen, also der Versuch, vergangene Zeiten so authentisch wie möglich irgendwie nachzustellen, um sie wieder aufleben zu lassen. Neuere Musik formuliert seit mittlerweile rund 100 Jahren, wie kaputt unsere heutige Gesellschaft ist. Ich aber gehe in meiner Musik gleichzeitig zurück und von der Gegenwart aus vorwärts, um den Wert des „wahren Schönen“ aufzeigen.

…musikalischer Missbrauch

Nie wurde „schöne Musik“ so missbraucht wie in der Zeit des Nationalsozialismus. Musik daraufhin offiziell in E und U zu spalten und ernste Musik bevorzugt mit Geräuschhaftigkeit und von Emotionen weitgehend befreiten Tonserien gleich zu setzen, ist von daher nachvollziehbar.

…Idee der Stunde

Die Entscheidung, Gefühle außen vor zu lassen und sie bis zur Unkenntlichkeit zu abstrahieren, war vermutlich für die ersten Jahrzehnte nach dem 2. Weltkrieg, die „Idee der Stunde“. Kunst steht schon in Zusammenhang mit dem, was in der Gesellschaft gerade los ist. Konstantin Wecker sagte einmal in einem Interview, er habe sein Kompositionsstudium vorzeitig beendet, weil er eben diesen Platz für Gefühle in der Ausbildung vermisst hätte. Diese musikalische Entwicklung hatte sehr lange Bestand.

…an der Oberfläche bleiben

Gefühle konkret nicht mehr mit einzubeziehen (E-Musik), bzw. sich ganz auf den Ausdruck von seichten Gefühlen zu reduzieren (U-Musik) verweist Musik an die Oberfläche. Bemühen um ehrliche Authentizität sind nur bei einzelnen hierfür besonders begabten Musikern aller Genres zu finden. Oberfläche steht in unserem Bild überfluteten Alltag mehr im Vordergrund als das, was dahinter ist. So wie bei vielen Produkten die Verpackung mehr Menge verspricht als letztlich enthalten ist. Dass hinter der „großartigen Oberfläche“ viel Leere ist, scheinen die meisten unbeanstandet so hinzunehmen. Mit Oberflächlichkeit konnte ich noch nie viel anfangen.

…in die Tiefe gehen

Ich finde, es ist höchste Zeit, mehr in die Tiefe zu gehen und das Wort „Gewinn“ mit Hinblick auf das Wesentliche neu zu definieren. Leider spielt dieser Aspekt in der Konzertwerbung heute noch keine Rolle. Die Tiefgründigkeit von Musik kann nur Draufgabe sein, Hauptsache ist die passende Schublade und eine möglichst „virale Verbreitung“, damit der Eindruck entsteht, dass die Musik das Potential hat, „populär“ zu werden.

…Schubladen-Denken

Popularität ist fast schon ein Synonym für gut gemachte Werbung. Doch hierfür fehlt mir das Geld. Außerdem fällt es mir schwer, mich zu erklären: Was sollte sich das Publikum, ohne mich zu kennen, unter dem vorstellen, was ich mache, wenn es das sonst so anscheinend nicht gibt? Die Rückmeldungen, die ich bekomme, sind rundweg positiv. Aber das Live-Publikum bleibt klein, denn da mich nur wenige als Performerin kennenlernen, können diese auch nur wenigen Leuten sagen, dass es sich gelohnt hatte, mir zuzuhören, und dass sie es weiterempfehlen würden. Also ist das, was ich mache, scheinbar nicht populär. „Wesentliches“ hat von sich aus keine Konjunktur.

…Vorbild sein

Das, was Künstler von innen her entwickeln, ist „für alle“ bestimmt. Immer klarer wird mir, dass Ergebnisse künstlerischer Arbeit viel Publikum brauchen, um überhaupt einen Beitrag zur Stärkung der Gesellschaft leisten zu können. Das Bedürfnis danach, sich beim Hören von Musik selbst abzuschalten, ist weitestgehend soviel größer als das, durch Hören von Musik innerlich wacher zu werden. Ich meine, das müsste sich ändern. Musik ist wie eine „Gesellschaft im Kleinen“: In meiner Musik geht jede Stimmlage ihren eigenen Weg, mal nah, mal fern von den anderen, aber immer in Bezug zueinander und in einer zugewandten Verbindung, auch und gerade bei Dissonanzen, die ich als Symbol für das rechte Maß an (frechem) Eigenwillen einsetze.

…reflektieren, was ist

Erst kürzlich ist mir klar geworden, dass das Bemühen darum, sich selbst zu erkennen, eng damit verbunden ist, sich selbst zu lieben. Ein merkwürdiges Phänomen ist ja, dass diejenigen, die in sich selbst verliebt sind, sich selbst nicht lieben, eben weil sie sich selbst auch nicht als diejenigen erkennen können, die sie tatsächlich sind, weil sie ein falsches Bild von sich haben. Halík schreibt, dass narzisstischer Stolz eine Inflation des Ego sei, das Regie führe ohne Rücksicht auf andere, das die eigene Wahrheit vergotte. Dabei habe aber der Narzisst Angst vor der Liebe, denn er ahne, dass sie von ihm viel fordern würde. Darum strebe er nach Bewunderung und werde dadurch immer mehr zum Schwächling und gewalttätig allen gegenüber, die sein Selbstbild stören oder in Frage stellen. Ebenso wenig lieben sich aber diejenigen selbst, die als Kinder gelernt haben, ihr Überleben in traumatisierenden Verhältnissen durch Unterwerfung zu sichern. Aus der unterentwickelten Liebesfähigkeit sich selbst gegenüber resultiert ein schwacher Selbstwert. Dies ist so weit verbreitet, dass es viele „normal“ finden, nichts daran zu ändern. Aber es ist an der Zeit für ein seelisches Umdenken. Es ist Zeit, sich aufzurichten und die Ablehnung zu überwinden, die man gewohnt ist, sich selbst entgegen zu bringen. Das braucht Mut!

…mein Konzept am Beispiel der CD Die Farbe Blau

Die Farbe Blau entwickelte ich 2011 als Soloprogramm entsprechend meinem musikalischen Konzept, eine Klangfarbe des Muts so darzustellen, dass ich altbekannte Liedvorlagen „aufbrach“ und in neue Richtungen führte. Später ordnete ich die Klangfarbe des Muts mehr rockig inspirierten „Liedern des Aufbruchs“ zu. „Die Farbe Blau“ war lange Zeit eins meiner Lieblingsprogramme, da es besonders viel Leichtigkeit und Töne der Helligkeit mitbrachte. Ich freue mich jedes Jahr über das Erwachen der Natur aus dem Winterschlaf, über die Wiederkehr des Lichts. Nietzsche schreibt: „Mitfreude macht den Freund. Freude an einer Sache ist eigentlich Freude an sich vermittels einer Sache.“ Sobald ich meine Flöte in der Hand halte, bin ich fröhlich. Dies wird auch von meinem Publikum so wahrgenommen. Doch war ich jahrelang neben meiner immer wach gebliebenen Lebensfreude unterbewusst noch sehr besetzt von einer großen inneren Traurigkeit. Ich merkte dies am Klang meiner Kompositionen. Ich glaube, dass das lange verdrängte Gefühl der Traurigkeit mit meiner frühen Erfahrung des Todes naher Angehöriger zu tun hatte. Ich hatte als Kind gelernt, dass ich darüber nicht weinen dürfte, dass ich Tränen unterdrücken soll. Meinen Eltern hatte man dies auch gesagt, als sie klein waren. Im Krieg empfand man es sicher als zusätzliche Belastung, wenn Kinder lauthals weinten. Vielleicht gefährdete dies sogar zu weil das Überleben der ganzen Familie!… Darum musste ich als Erwachsene nachträglich lernen zu weinen. Solange ich hierzu nicht in der Lage war, war es für mich sehr schwierig, fröhliche Lieder zu schreiben. Jedes fröhliche Lied, das in mir bisher Gestalt angenommen hat, feiere ich von daher ganz besonders. Ich sehe darin ein Zeichen meines seelischen Fortschritts und die Zuwortmeldung einer positiven Lebenskraft, die sich durchzusetzen weiß.

Zur Hörprobe „Die Farbe Blau“

…Zitat

„Das Paradigma von Kunstschönheit, auf dem sich die abendländische Kultur gründet, ist aufs Engste verknüpft mit Philosophie und Theologie zu Vergänglichkeit und Tod, dem Ziel- und Endpunkt platonischen und christlichen Erkenntnisstrebens.“ (Theresa Bragisser-Lanker)

…Empfehlung:

Christina Kessler: amo ergo sum, Heyneverlag, 2005

Kathrin Beddig