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Mozart

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…ein bekannter Name

Die Entscheidung, Mozart ein Programm zu widmen, traf ich nach einem Konzert im inzwischen in Folge von Corona-Umsatzeinbußen vor der Schließung stehenden Kaffeehaus Schmidt. Der Inhaber regte an, doch einmal einen bekannten Namen in den Titel meiner Programme mit aufzunehmen, wenngleich sich dies im Nachhinein als missverständlich erweisen sollte.

 

…enttäuschte Erwartung

Denn wer seine Veranstaltung nach Mozart benennt, weckt die Erwartung nach der Aufführung von Mozartwerken. Diese sind bei meinem „Mozart“ noch nicht einmal in Form von Zitaten vertreten.

Manch ein Besucher meiner Konzerte war deswegen zunächst enttäuscht. Andere wurden tatsächlich eher abgeschreckt, da klassische Musik nicht bei jedem beliebt ist.

 

…Hommage für Mozart

Ich aber wollte dieses Programm als Hommage für den Menschen Mozart gestalten, dessen humorvolle, dem Leben zugewandte Art sich sehr schön in seinen bis heute erhaltenen und in Buchform heraus gegebenen Briefen offenbart, auf die ich meine Lieder beziehe, zugleich erinnere ich damit an die inzwischen verloren gegangene Kultur des Briefeschreibens.

 

…vom Einstimmigen zum Mehrstimmigen

Zu Beginn meiner Arbeit als Komponistin schrieb ich hauptsächlich einstimmige Lieder, allerdings in Bezug zu musikalischen Impulsen, die über die „eindimensionale“  horizontale Linie hinaus gingen. So fand ich den Kontakt zum Mehrstimmigen im Nachhall bereits gespielter Töne, im Bezug zu einem (auch gern vom Publikum zu singenden) Grundton, dialogisch auf sich hintereinander fortsetzenden unterschiedlich hohen melodischen Ebenen oder auch zu mit den Füßen gestampften rhythmischen Begleitungen.

 

…Entspannung

Sich selbst mit Offenheit zu begegnen und mit sich selbst in einen freundschaftlichen Kontakt zu pflegen, ist mein musikalischer Ansatz. Wer sich einlässt auf sich selbst, befreit sich aus dem veräußerlichten gesellschaftlich allgemein üblichen selbst entfremdeten Dominanzgehabe. In der Konzentration auf den gegenwärtigen Moment der Entspannung wird das Ich nicht zuletzt auch aus der durch Traumatisierung entstandenen Selbstentfremdung hinaus geführt. „Es gehört desshalb zu den nothwendigen Correcturen, welche man am Charakter der Menschheit vornehmen muss, das beschauliche Element in grossem Maasse zu verstärken.“ (Nietzsche)

 

…aus der Versenkung holen

Ganz alleine mehrstimmig zu spielen, bedeutet für mich, umzugehen mit allen inneren Spielarten meines eigenen Seins. Widersprüchliches nicht zu bekämpfen, sondern nebeneinander zu stellen und zu entscheiden, „wer führt“, heißt, alles miteinander zu vereinbaren. Ich lasse zu, dass das Unbewusste aus der Versenkung emporsteigt und mit mir ins Gespräch kommt.

 

…virtueller Mitspieler

Da ich also grundsätzlich von der nur mir selbst verpflichteten „Beschaulichkeit“ ausgehe, war es tatsächlich eine schwere Aufgabe für mich, in „Mozart“ erstmals mit einem virtuellen Mitspieler in Form eines CD-Players in Verbindung zu bleiben. Nicht nur, dass der Live-Spieler die eigene Führung abgeben muss, da Begleit-CD‘s durch ihre nicht gegebene Reaktionsfähigkeit nicht folgen können. Es entfallen so auch größere zeitliche Spielräume für neue spontane Einfälle. Und obwohl man selbst nicht der Anführer ist, hat man doch die alleinige Verantwortung, dass das Ganze funktioniert, da ein Moment des Verzählens, ein falscher Einsatz, eine fehlerhafte Orientierung im Notentext ja nicht der Begleit-CD angelastet werden können, von der CD selbst aber keine Hilfestellung zu erwarten ist.

 

…strengere Formen

Mir diese Aufgabe zu stellen, war mir ein Bedürfnis, um mich erstmals selbst mit strengeren Formen auseinander zu setzen, ohne mich von ihnen allzu sehr eingeengt zu fühlen. Hierbei half mir der in orientalischer Musik sehr häufig vertretene ungerade Takt, der auf mich so wirkt, als ob er Musik ins Rollen bringt. Ich verwende die in Westeuropa nicht so verbreiteten ungeraden Taktarten gerne, um ehemals verloren gegangene musikalische Elemente wieder zu integrieren, da die christliche Kirche, aus der heraus sich die westeuropäische Musik entwickelt hat, wegen der Heiligkeit der Zahl 3 seinerzeit als ungeraden Takt nur den ¾ Takt beibehalten wollte.

 

…Mein Konzept am Beispiel der CD Mozart

Das Programm „Mozart“ geht dem emotionalen Standpunkt der Sehnsucht nach, für den ich die orientalische Klangfarbe vorgesehen habe. Ich wollte zeigen, wie Mozart möglicherweise geklungen hätte, wenn er wirklich Ägypten besucht hätte. Seine Musik ist geprägt vom italienischen Belcanto und folgt natürlich den Gesetzmäßigkeiten des Quintenzirkels, lässt sich also auf den ersten Blick mit nicht temperierter orientalischer Stimmung nur schlecht vereinbaren. Zudem kannte er orientalische Rhythmen wohl eher nur vom Hörensagen und aus dem militärischen Bereich. Dennoch hat er viele „orientalische“ Werke verfasst, denn der Orient war zu seiner Lebenszeit groß in Mode. Mich begleitet die Begeisterung für orientalische Musik schon seit meiner Kindheit. Ich hatte vorausgehend bereits für die Konzertreihe im Vierordtbad ein orientalisches Soloprogramm geschrieben. Die Wehmut der Molltonleitern, die traditionelle Einstimmigkeit und die kraftvolle Exotik der vielgestaltigen orientalischen Trommeln sprechen mich sehr an. Nicht zuletzt begann ich deswegen vor über 20 Jahren, Percussionunterricht zu nehmen.

zur Hörprobe CD Mozart

 

…persönlicher Spiegel

Doch auch in Mozart als Mensch fühle ich mich widergespiegelt, in seinem Ideenreichtum und seiner Freude am Rollenspiel. Mozart im Brief an den Vater: „Mon très cher Père, Sie wissen ohne Zweifel, dass hier Fasching ist und da möchte ich gerne als Harlekin gehen. Folglich möchte ich Sie bitten, mir Ihr Harlekinkleid zukommen zu lassen.“

 

…in der Person des Harlekin

Der Harlekin ist eine Figur aus der commedia dell‘arte, die ungeduldig den zweiten Schritt vor dem ersten macht und darum öfter auf die Nase fällt, aber dennoch seine gute Laune behält: „Sein ursprüngliches Flicken-Kostüm war ein Symbol der Armut, aber auch der Fröhlichkeit. Er wägt niemals ab, sondern handelt aufs Geratewohl. Trotzdem verliert er nie seine Lustigkeit und seine freundlich-naive Anschauung über die Welt. Alles was er tut, ist vom Charme eines Kindes getragen – ungefährlich und unverletzend komisch.“

 

…Zitat

„Der schöne rote Frack kitzelt mich ganz grausam am Herzen, mit Knöpfen aus Perlmutter, auf der Seite etwelche weiße Steine herum, und in der Mitte ein schöner gelber Stein. Ich habe nur die Schönheit in Betrachtung gezogen, aber nicht den Preis. Woher kommt es doch, dass die, welche es nicht imstande sind, alles auf so was verwenden möchten und die, welche es imstande wären, es nicht tun? Ich möchte alles haben, was gut, echt und schön ist!“ Mozart im Brief an die Baronin von Waldstädten

 

…Empfehlung

Wolfgang Amadeus Mozart: Briefe, eine Auswahl, hrsg. v. Willi Reich, Manesse Blibliothek der Weltliteratur, 1991

Kathrin Beddig