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Goethe

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…unendliche Fülle

Da sich immer ein Programm aus dem vorangehenden ergibt, schien es mir nach „Mozart“ folgerichtig, das nächste Programm „Goethe“ zu widmen. Da Goethes Werk von nahezu unendlicher Fülle ist, brauchte ich unbedingt einen möglichst kleinen Aufhänger, anhand dessen ich zugleich sein Leben und seine mir sehr sympathische Haltung, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, darstellen könnte. Diesen Aufhänger fand ich in dem Zyklus „Chinesisch-deutsche Tages- und Jahreszeiten“.

 

…Veranlagung zum Wesentlichen

So wie Goethe sich Zeit seines Lebens für andere Kulturen interessierte (es heißt, er habe 17 Sprachen sprechen können), ist auch mein Anliegen, in der Musik zu zeigen, dass wir als Menschen weltweit verbunden sind. So wie ich glaube, dass der archaische Mensch in seinem Sein Bedrohung, Dankbarkeit und Freude gefühlt hat nicht anders als wir heute, denke ich auch, dass sich Menschen weltweit in der Veranlagung zum Wesentlichen ähneln, sie formen nur aufgrund verschiedener kultureller Traditionen mitunter einander fremd bleibende Verhaltensweisen aus.

 

… die chinesische Kultur

In der Musik hat das, was zunächst fremd scheint, für mich immer auch das Potential zur Inspiration. Ich fand es sehr spannend, mich anlässlich dieses Programms mit den musikalischen Grundlagen der chinesischen Oper zu beschäftigen im Vergleich zu den Gepflogenheiten der deutschen Klassik. Auch konnte ich durch mein langjähriges Interesse für Märchen und Kunsttraditionen aus aller Welt zurückgreifen auf einiges Wissen über die gegenüber Europa so andersartige künstlerische Symbolsprache der chinesischen Kultur.

 

…Leben und Werk

Mit besonderem Gewinn las ich in der Vorbereitung die umfangreiche Doktorarbeit einer chinesischen Studentin der Germanistik über Goethes Gedichtzyklus „Chinesisch-deutsche Tages- und Jahreszeiten“. Hierbei bestätigte sie, wie nah auch Goethes Werk mit seinem Leben verknüpft ist, wie die Spuren des Lebens Spuren im Werk hinterlassen haben.

 

…Goethe und die Frauen

Als er den Zyklus schrieb, war er gerade unglücklich verliebt. Und es gibt einzelne Gedichte daraus, die seiner Erkenntnis, dass die Hoffnung, die Frau für sich zu gewinnen, vergeblich war, Ausdruck geben, vielleicht auch ihm geholfen haben, die erfahrene Zurückweisung zu verarbeiten. Dass es viele Untersuchungen gibt über das Thema „Goethe und die Frauen“, belegt, dass in seinem Leben in jüngeren Jahren seine Werbung dagegen meist von Erfolg gekrönt war.

 

…gefährlich für das Herz jeder Frau

Besonders aufschlussreich schien mir hier ein Brief des Arztes Zimmermann an Charlotte von Stein, in dem er den jungen Goethe als jemanden beschreibt, „der sehr gefährlich sei für das Herz einer jeden Frau.“

 

…Ikone der deutschen Kultur

Goethe ist eine Ikone der deutschen Kultur. Wie sehr ich sein Werk schätze, fand ich doch, statt ihn als Mensch zu idealisieren, sei es interessanter, auf sein für Frauen oft sehr schmerzhaftes Verhalten einzugehen und nebenbei zur Sprache zu bringen, dass es außer der Fülle von Begabungen, die ihm geschenkt waren, auch etwas gab, was er nicht konnte: tanzen. Vorbildlich finde ich aber unbedingt seine unbestreitbare Weltoffenheit und seine Bemühung, das Leben ganzheitlich zu erfassen.

 

…mein Konzept am Beispiel der CD „Goethe“

Das Programm „Goethe“ schrieb ich zu dem emotionalen Standpunkt der Unbefangenheit, auch weil er selbst sehr naturverbunden war und sich gegen einen technischen Fortschritt stellte, der die Sinnlichkeit des unmittelbaren Naturerlebens drastisch reduziert. Für „Goethe“ entwickelte ich meine Klangfarben-Symbolik weiter: die Altflöte war für mich der Klang für Meister Goethe selbst, die Altquerflöte stellte einen der 8 Weisen dar, der nach der chinesischen Mythologie über das Meer reist und dabei Flöte spielt. Erstmalig erstellte ich eine playalong mit einer vierstimmigen Begleitung zu einem der Lieder. Figuren der chinesischen Oper dienten mir als Titelgeber für die Lieder „Gespenster“ und „Helden des grünen Waldes“. Bis heute, egal in welchem Bereich, gibt es wohl keinen Anlass, für den es nicht möglich wäre, hierzu einen passenden Spruch von Goethe zu zitieren. Das Goetheprogramm spielte ich bis Corona bei wenigstens drei Goethegesellschaften in ganz Deutschland, die bereits vereinbarten Konzerte an weiteren Orten konnten wegen Corona bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachgeholt werden. 

Zur Hörprobe CD Goethe

 

…Bildung

In der Beschäftigung mit Goethe wurde mir bewusst, dass ich als Künstlerin den Auftrag habe, Bildung zu stärken, Kultur zu vertreten, an den Wert des kulturellen Erbes zu erinnern. Ich suche extra in alten Quellen Hinweise auf das, was wir uns auch heute hinter die Ohren schreiben sollten. Einerseits finde ich toll, dass solch kluge Sätze schon Hunderte von Jahren alt sind, andererseits finde ich es enttäuschend, dass sie doch bis heute weitgehend ungehört verhallt sind. Gerade deswegen habe ich beschlossen, wieder an sie zu erinnern. Diese Zitate sind wie Notbremsen!

 

…Nutzloses Geschrei

Denn wir sollten anhalten und die Richtung ändern, nicht mehr auf die hören, die am lautesten schreien, aber außer Geschrei nichts zu vermelden haben! Damit beginnen, selber nachzudenken und nicht aus Bequemlichkeit den Schreihälsen Recht zu geben! Wir sollten den Standpunkt verlassen, dass alles, was uns gegenwärtig nicht direkt selbst betrifft, egal ist!

 

…Verantwortung missbrauchen

Warum gibt es so viele Widerstände gegenüber guten Ideen zum Klimaschutz? Warum wird Macht in dem Sinn ausgeübt, „weil man behauptet es zu können“, nicht aber weil man den Überblick hat? Warum haben Politiker keine Konsequenzen zu befürchten für von ihnen geförderte Missstände, nicht zuletzt aufgrund des Mangels einer wirklichen Wertschätzung für soziale Berufe und mütterliche Arbeit? Ungestraft zu Lasten einer tragfähigeren Zukunft agierend verwechseln viele die Übernahme von Verantwortung mit der Aufforderung zur Selbstbereicherung.

 

…Steine im Weg

Und die, die es gut meinen, machen wie schon Albert Schweitzer die Erfahrung: „Wer sich vornimmt, Gutes zu wirken, darf nicht erwarten, dass die Menschen ihm deswegen Steine aus dem Weg räumen, sondern muss auf das Schicksalhafte gefasst sein, dass sie ihm welche drauf rollen.“

 

…das wenige ist viel

Dennoch ermutigte er: „Alles, was du tust, wird immer Tropfen sein, gibt deinem Leben aber Sinn und macht es wertvoll. Das Wenige, das du tun kannst, ist viel. Denn keiner von uns weiß, was er wirkt, was er Menschen gibt. Es ist verborgen und soll es bleiben. Manchmal dürfen wir ein klein wenig davon sehen, um nicht mutlos zu werden.“

 

…Zitat

„Erkennen die Nachgeborenen die Irrtümer ihrer Vorfahren, so hat die Zeit längst wieder neue Irrtümer erzeugt, die ihnen nicht bewusst sind.“ (Goethe)

 

…Empfehlung

Albert Schweitzer: Worte für das Leben, Herderverlag, 1999