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Weg zum Wasser

Muttertag!

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…Vierordtbad Karlsruhe

Im Rückblick auf meine ersten Schritte als Komponistin erinnere ich mich an eine Konzertreihe zu den Jahreszeiten, die ich 2009 in der herrlichen Akustik der Rotunde des Vierordtbades Karlsruhe gestalten durfte.

 

…Konzert zum Muttertag

Das Konzert im Mai „zum Muttertag“ war für mich Anlass, mich mit der Position der Mutter in unserer Gesellschaft zu beschäftigen. Ausgehend von dem archaischen Bild des Urweiblichen spielte ich mit den Elementen von Fülle und Leere. Das Matriarchat war vor 15.000 Jahren die verbreitetste Lebensform. Es wird seit einiger Zeit geforscht, warum das Patriarchat das Matriarchat abgelöst hat.

 

…sich von Zwängen befreien

Eine Theorie ist, dass kriegerische Reitervölker plötzlich auftraten und ihre Eroberungen machten. Sie unterdrückten die Kraft des Weiblichen und hoben die Kraft des Männlichen „in den Himmel“. Die Aufgabe der heutigen Gesellschaft sollte sein, das Männliche und das Weibliche „auf der Erde“ als gleichwertige komplementäre Anteile eines jeden Menschen zu verstehen. Hierfür müssen als erstes die einengenden Folgen der Traumatisierung durch Gewalt von Mensch zu Mensch bearbeitet werden. Menschen, die in ihrer Kindheit traumatisiert wurden, halten sich innerlich fest an „giftigen Glaubenssätzen“, die sich inzwischen längst überholt haben.

 

…Mut der Verzweiflung

Was zum Zeitpunkt der Traumatisierung Orientierung gab und half zu überleben, hält uns das weitere Leben gefangen, solange wir nicht den Schlüssel finden, uns selbst in die Freiheit zu entlassen. Wenn viele aus dem inneren Gefängnis ausbrechen würden, gäbe dies der Kraft des Weiblichen in Männern und Frauen in der Gesellschaft endlich mehr Raum zur Entfaltung.

 

…der Raum als Mitspieler

In der Rotunde des Vierordtbades nahm ich „symbolisch für die Kraft des Weiblichen“ Beziehung zur Weite des Raumes auf: Der Raum war mein Mitspieler und inspirierte mich zu Langsamkeit und mehrstimmigem Spiel, da dort angespielte Töne solange stehenblieben, dass Begleittöne dazu gesetzt werden konnten.

 

…der Luxus der Langsamkeit

Dabei fiel mir auf, dass der Luxus der Langsamkeit in der heutigen Zeit gerade etwas ist, auf das sich Mütter oft nur im Umgang mit den Bedürfnissen ihrer kleinen Kinder einstimmen können. Auch ich stand als Mutter meistens unter Zeitdruck, unter großer Anspannung, alles unter einen Hut zu bringen, oft auch unter finanziellem Druck. Für gute Lebensbedingungen von (allein erziehenden) Müttern und Kindern müsste heute dringend weit mehr getan werden!

 

…das Weib liegt unten

Und obwohl sich in der Debatte zu mehr Gleichberechtigung schon vieles zum Guten gewendet hat, hat die Aussage, die Bloch vor 80 Jahren formulierte, ihre Gültigkeit noch nicht verloren: „Das Weib liegt unten. Es wird seit langem dazu abgerichtet, immer greifbar, immer gebrauchsfähig. Dienen und der Zwang zu gefallen sind eines, seine innere Ausrichtung reduziert sich darauf, anderen gefallen zu müssen.“

 

…du bist wie ein Mädchen

Über Jahrtausende mussten Frauen sich verbiegen, sich unterwerfen und sich schlecht behandeln lassen, waren rechtlich gleichgestellt mit Sklaven, Vieh und Sachen, standen unter der Allein-herrschaft der Männer. Das hat bis heute tiefe Spuren im Gedächtnis der Menschheit hinterlassen. Immer noch werden kleine Jungen mit dem Satz ausgeschimpft: „Du bist wie ein Mädchen.“ Mir fehlt trotz aller Bemühungen um gendergerechte Sprache an zu vielen Stellen der positive und konstruktive Umgang mit weiblichem Sein.

 

…die Frau ist berufen

Denn hieraus könnte viel Gutes und Neues entstehen. Hellsichtig befand Rudolf Steiner vor 100 Jahren: „Insbesondere ist heute die Frau berufen, ihr Selbst zu finden und geltend zu machen. Alles, was auf diesem Gebiet geschieht, wird zum Heil der Menschheit beitragen.“

 

…Geborgenheit bieten

Optimal ist es für ein Kind, wenn die Familie ein Ort der Geborgenheit sein kann. Hierfür wäre einerseits wichtig, Frauen in ihrem Muttersein noch mehr zu unterstützen. Eine Frau, die von allen Seiten schlecht behandelt und überfordert wird, wird keine Kraft mehr haben, ihren Kindern eine wirklich liebevolle Mutter zu sein. Ihre Kinder werden mit einem Defizit groß und tragen es weiter in die nächsten Generationen. Andererseits müsste das Weibliche an sich mehr wertgeschätzt werden.

 

…das Urbild des Mütterlichen 

Solange das Weibliche nicht ebenso wertgeschätzt wird wie das Männliche, trennen sich Männer und Frauen von den eigenen Wurzeln, denn das Urbild des Mütterlichen ruht auf dem Seelengrund jedes Menschen. Aber es hat sich irgendwie noch nicht herum gesprochen… So scheint innere Entwurzelung für viele „ganz normal“. Ihre Behandlungswürdigkeit wird weder erkannt noch ernst genommen.

 

…Entwurzelung entgegentreten

Wird die innere Entwurzelung nicht aufgehoben, endet dies in „Beziehungen“ narzisstischer Vereinzelung und selbstvergessener Unterwerfung. Bereiche, die man in sich selbst verdrängt hat, werden nach außen verlagert und dort bekämpft.

 

…Verwurzelung stärken

In sich selbst verwurzelt zu sein heißt, seinen Lebensraum einzunehmen in dem Bewusstsein, dass man ein Anrecht darauf hat, ebenso wie der andere, weder mehr noch weniger. In sich verwurzelte Menschen glauben nicht, sich verstecken zu müssen, weder vor sich selbst, noch vor anderen. Ihre Kinder wachsen unbelastet auf. Innere Verwurzelung stärkt Gemeinschaft.

 

…flüchten müssen

Wenn die Familienverhältnisse aber so sind, dass das Kind sich zu Hause nicht geborgen fühlt, wird es überall nach neuen Zufluchtstätten suchen. Es wird flüchten müssen. Entwurzelt sind alle Waisen und (fast) alle Kinder aus zerrütteten Ehen. Ihr Ort wird ständig erschüttert wie auf vulkanischem Boden.„Der Entzug menschlicher Liebe entspricht dem Verlust der Heimat, denn was Halt gibt, sind Herzensbindung und Zugehörigkeit.“ (Simone Weil) Viele Eltern geben ihren Kindern nicht den Halt, dessen sie bedürfen.  

 

…das Unglück der Entwurzelung

Überwindung von Heimatlosigkeit ist zur dringenden Aufgabe unserer Zeit geworden auch angesichts der nicht endenden immer neuen Flüchtlingsströme aller Ortens, ein nach außen verlagertes Symptom menschlicher Entwurzelung von sich selbst und von Mutter Erde.

 

…wurzeln in Mutter Erde

Wer aber in Berührung gekommen ist mit der Verwundung des eigenen weiblichen Anteils, der kann sich selbst und anderen helfen, neue Wurzeln zu schlagen.

In der Vorzeit glaubte man, zur Mutter Erde (zu sich selbst) würde gelangen, wer durch den Weltenbrunnen in die Unterwelt hinabsteigt.

 

…mein Konzept am Beispiel der CD „Wellen(k)länge“

Um in meiner Musik positive Visionen zu verwirklichen, greife ich gerne auf Vorbilder aus der Vergangenheit zurück, um sie in der Gegenwart neu zu verankern. Im Programm „Wellen(k)länge“ gehe ich der Vorstellung von Mutter Erde als einer großen Übermutter nach. Wie das Wortspiel des Titels schon andeutet, bringe ich Beziehungsfähigkeit (Wellenlänge) mit Wasser, dem Lebens spendenden Element des Weiblichen (Wellen), zusammen. Die in der Improvisation sich findende Musik (Wellen(k)länge) spielt mit einer niedrigen Tondichte. Sie lässt Raum für spontane Reaktionen auf den Gesamtklang des Raumes. Leere öffnet sich für den freien Dialog, für das Gespräch mit mir und dem, was um mich ist. Die zum Einsatz kommenden Instrumente formen die Materie, nicht nur als Transportmittel des Ausdrucks, sondern auch als Ursprung der musikalischen Motive. Mein Symbol für die Urmutter ist die Altquerflöte, die in einem Raum mit viel Hall eine nahezu mystische Kraft entfaltet. In die wellenförmige Amplitude vibrierender Schwingungen versetzte Metallklinger stellen das Wasser dar, das seit jeher als Urelement des Weiblichen gilt.

 

…das Meer als große Mutter

In matriarchalischen Kulturen wurde die Muttergöttin als Wasservogel dargestellt, das Meer war „die große Mutter“, die Nacht (Tochter der großen Mutter) stieg an jedem Abend aus dem Meer. „Der Weg der Seele, die etwas verloren gegangenes wiederfinden will, führt zum Wasser.“ (C. G. Jung)

 

…Zitat

„Wie die Welle nicht für sich sein kann, sondern an den Wogen des Ozeans teilhat, soll ich mein Leben nie für mich leben, sondern immer im Erleben um mich herum.“ (Albert Schweitzer)

 

…Empfehlung:

Claudia Keller: Kinder, Küche und Karriere, Fischer Taschenbuchverlag, 2016